Das Schweigende Mädchen

von Elfriede Jelinek

Stationen einer Ausstellung: das zusammengepresste Wrack eines Polizeiwagens, eine große Mülltonne mit Bergen von geschreddertem Papier, eine schwarze Mauer, auf der in riesigen weißen Lettern das Wort "Angst" steht, darüber geschrieben in ebenso großen, roten Lettern das Wort "Wut", ein einzelner schwarzer Leichensack, eine gigantische, mit leeren Putzmittel-Flaschen gefüllte Plastiktasche und ein Müllcontainer mit zerstörten Einrichtungsgegenständen.

Die Morde sind geschehen, die Staatsorgane haben versagt, die Opfer und ihre Familien wurden wieder und wieder gedemütigt, die Beweise sind vernichtet, das Blut ist verschwunden, aber die Klagen und Anklagen bleiben. All das steckt in diesen Exponaten eines ungeheuren und ungeheuerlichen Justiz- und Politskandals. Der Zuschauer wird zum Wanderer zwischen den Teilen, deren Summe er eher intuitiv erahnt. Elfriede Jelineks Texte erfüllen unterdessen als mehrstimmiges Rauschen den Raum.

Während man von einer Station zur anderen, von einem Engel zum anderen geht, überlagern sich die Texte. Jelinek erklärt das Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe wiederholt zu einer neuen heiligen Familie: Schaurige Erlöser eines Volkes, das schon immer einen Hang zu Mord und Größenwahn hatte. Auch dafür findet Michael Simon ein Theaterbild, das einen schaudern lässt. Vor einer Reproduktion der "Kreuzigung Christi", dem zentralen Werk des Isenheimer Altars, stellt das Ensemble eben dieses Gemälde nach. Eine gespenstische Verdopplung. In beidem offenbart sich Deutschland, in Matthias Grünewalds Meisterwerk genauso wie in den Taten einer nationalsozialistischen Terrorzelle...

Sasha Westphal. 11.12. 2015 Auszug aus Nachtkritik 11
 

Regie und Bühne
Michael Simon
Regiemitarbeit
Ariane Andereggen
Kostüme
Mona Ulrich
Chorregie
Uwe Schmieder
Dramaturgie
Michael Eickhoff

Mit
Frank Genser
Marlena Keil
Bettina Lieder
Uwe Schmieder
Friederike Tiefenbacher
Merle Wasmuth

Premiere 11.12.2015 Theater Dortmund